Ein Gespräch mit Rahel Stütz
Das Interview wurde geführt von Günter Käfer.
An der Hochschule für Philosophie in München fand die Veranstaltung ‚Demenz Meet‘ statt. Eine Veranstaltung, auf der Demenz Betroffene, Angehörige und Fachleute von ihren Gefühlen, von den Lebensumständen und von den neuesten wissenschaftlichen Erkenntnissen berichteten. Die bestmögliche Pflege von Personen mit Demenz hat im Haus Margarete einen hohen Stellenwert. Deshalb haben Andreas Müller, der Inhaber und Heimleiter, Antje Schumann, die Wohnbereichsleitung und Rahel Stütz, die Leiterin des Teams der sozialen Betreuung, am Demenztag teilgenommen. Eine gute Gelegenheit, mit Rahel Stütz darüber zu sprechen, was die Erkrankung an Demenz bedeutet, wie damit umzugehen ist und welche Möglichkeiten für Betroffene und deren Umfeld gegeben sind, gemeinsam ‚Neuland‘ zu betreten.
Frau Stütz, Sie haben das Haus Margarete auf dem Demenztag vertreten. Was nehmen Sie mit von so einem Tag?
„Vor allem hat mich beeindruckt, wie offen der Wissensaustausch aber auch die Berichte zu Erfahrungen, Befindlichkeiten und Gefühlen waren. Besonders ermutigend war auch, dass sich ein großes Netzwerk gebildet hat, bestehend aus der Wissenschaft, den medizinisch, fachlichen Disziplinen, den Pflegenden und den von Demenz Betroffenen und deren Angehörigen. Klar wurde, wenn es um die Behandlung und den Umgang mit Demenz geht, müssen alle Gruppen eng abgestimmt zusammenarbeiten. Denn letztendlich geht es immer darum, die Betroffenen und deren Umfeld nicht allein zu lassen und in allen Phasen einer Demenzerkrankung Lebensqualität und ein aktives Leben mit Würde zu ermöglichen.“
Was raten Sie Betroffenen und deren Angehörigen zum Umgang mit Demenz?
„Aus meiner Sicht ist mit der Diagnose einer Demenz nichts entschieden oder zu Ende. Der Weg fortschreitender Demenz bringt für alle Beteiligten neue Lebenserfahrungen. Auch wenn das Vertraute immer unvertrauter wird, werden auf diesem Weg neue Erfahrungen gemacht. Mutig zu sein, aktiv am Leben teilzuhaben und in Begleitung auch neues auszuprobieren und den Wandel mitzugestalten ist das, was wir im Haus Margarete Bewohnerinnen und Bewohnern mit Demenz vermitteln. Immer unter Berücksichtigung der individuellen Fähigkeiten und Möglichkeiten. Im Zusammensein mit Personen mit Demenz ergeben sich immer wieder befremdende Situationen, aber auch intensive Freudenmomente. Humor ist dabei entscheidend, um Konflikte zu entschärfen und mit Belastendem umzugehen.
In der Begegnung mit Demenzkranken ist die ‚Kraft des Herzens‘, wie wir dies gerne bezeichnen, etwas ganz Entscheidendes. Was ich meine sind zwischenmenschliche Schwingungen, die mit Musik, mit Kunst, mit sinnliche Berührungen oder ganz einfach durch eine ruhige, zentrierte Anwesenheit übertragen werden.“
Sie haben darauf hingewiesen, wie wichtig ‚Teilhabe am Leben‘ für die Betroffenen und deren Umfeld ist. Was bedeutet Teilhabe für Sie ganz konkret?
„Teilhabe ist immer ein Spagat. Einerseits besteht über die Teilhabe an alltäglicher Lebenskultur die Chance, frühere Erinnerungs- und Verhaltensmuster wieder abzurufen. Dabei tauchen häufig auch wieder alte Strukturen der Persönlichkeit auf und geben dem Betroffenen viel Freude, Sinn und große Befriedigung. Es kann aber auch sein, dass Erinnerungs- und Verhaltensmuster nicht wieder abgerufen werden können. Dann bleiben Reize
unsortiert und überfordern die Betroffenen. Teilhabe ist dann zu diesem Zeitpunkt ganz sicher nichtmehr im Sinne einer Person mit Demenz und muss abgebrochen werden. Ganz generell ist Teilhabe aber von großer Bedeutung, weil vieles gefördert wird, das im Alltagüber die Betreuung so nicht angesprochen werden kann. Denn Teilhabe am Leben fordert und fördert.“
Was wird im Haus Margarete geleistet, um Lebensqualität in der Demenz erfahren zu lassen?
„Wir setzen uns jeden Tag dafür ein, dass in allen Stadien der Demenz, Menschen ein begleitetes Leben erfahren können. Mit praktischer Lebenshilfe und vor allem auch im zwischenmenschlichen Bereich. Bei uns gibt es eine Gemeinschaft, die eine Lebensstütze aufbaut, die Abwechslung und Anlässe bietet, auf die man sich freuen kann. Persönliche Hobbies unterstützen wir und sind dankbar dafür, wenn wir Personen des sozialen Umfelds unserer Bewohnerinnen und Bewohner mit einbeziehen können.“
Liegt in der Entwicklung bei Demenz auch eine Chance für Betroffene und Angehörige, ihre Beziehungen neu und anders zu erfahren?
„Das Leben mit Demenz ist immer eine Herausforderung. Lebensverwandlungen bewusst mitzuerleben ist aber auch eine Chance. Beziehungen lassen sich klären und ein bewusst erlebter Abschiedsprozess kann eine erfüllende Erfahrung sein.“
Ganz herzlichen Dank an Sie, Rahel Stütz, dass Sie uns an Ihrem fachlichen Wissen und an Ihrer Empathie im Umgang mit Demenz teilhaben ließen.
Wer sich mit Ihnen weitergehend austauschen möchte, kann Sie gerne ansprechen. Rahel Stütz ist zu erreichen unter rahel.stuetz@haus-margarete.care. Hilfreiche Informationen zu Demenz und dem Umgang mit Betroffenen erhalten Sie über diese Links:
Mutmachgeschichte: http://haukedressler.com/index.html
https://www.wegweiser-demenz.de/
https://demenzworld.com/
https://desideriacare.de/
https://www.demenz-und-migration.de
Alzheimer-Telefon: 030 – 259 37 95 14
https://www.deutsche-alzheimer.de/adressen
https://www.zqp.de/beratung-pflege
Netzwerk pflegender deutscher Angehöriger (siehe: https://www.deutsche-alzheimer.de )
Online-Selbsthilfegruppe für junge Erwachsene mit einem Elternteil mit Demenz:
Dienstags, von 19.30-21.00h via ZOOM; Anmeldungen unter melanie.liebsch@gmx.de
BLOG: Peggy Elfmann berichtet auf ihrem Blog „Alzheimer und wir“ über die Alzheimer-Erkrankung ihrer Mutter, wie sie und ihre Familie damit umgehen. Besonders wichtig ist ihr auch die Sichtweise der Kinder. https://alzheimerundwir.com/
PODCAST: https://www.demenz-podcast.de
Materialien zur Vorbeugung bei Demenz in Zusammenhang mit der Bundeszentrale für gesundheitliche Aufklärung (BZgA) https://www.gesund-aktiv-aelter-werden.de/gesundheitsthemen/demenz/
Informationen auf YouTube:
https://www.youtube.com/results?search_query=alzheimer+gesellschaft+baden+w%C3%BCrttemberg
„Alzheimer Gesellschaft Baden-Württemberg“
FAQ | Häufig gestellte Fragen
Was bedeutet die Diagnose einer Demenz?
Mit der Diagnose einer Demenz ist nichts zu Ende. Der Weg fortschreitender Demenz bringt für alle Beteiligten neue Lebenserfahrungen. Auch wenn das Vertraute immer unvertrauter wird, werden auf diesem Weg neue Erfahrungen gemacht.